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Romneys Propagandaschlacht auf der Leinwand

12. Oktober 2012

Alles ist außer Kontrolle. Die Gesellschaft, das Land und erst recht die Regierung. Die will einen sozialistischen Volksstaat einführen und tritt in Gestalt eines stammelnden Jungspundes auf, der bei dem Eisenbahnunternehmer Henry „Hank“ Rearden vorstellig wird. Rearden trägt einen dunklen Anzug und hat ein überlegenes Lächeln aufgesetzt. Er möge der Regierung bittesehr mal eben 10.000 Tonnen von seinem Stahl überlassen, es sei schließlich „im öffentlichen Interesse“, sagt der Jungspund mit dünner Stimme.

Der Eisenbahnunternehmer blickt ihn höhnisch an, steht auf und sagt feierlich: „ Ich werde dieser Regierung gar nichts verkaufen. Ihre Leute können gern bewaffnet kommen und sich das Zeug holen. Sie müssen sich entscheiden, auf welcher Seite Sie stehen.“ Freiheit oder Sozialismus.

Was das alles mit dem Amerika von heute zu tun hat? Eine ganze Menge. Denn diese Sequenz aus dem Film „Atlas Shrugged Part II“, (Atlas wirft die Welt ab) ist nichts anderes als anderthalbstündige Wahlwerbung für Mitt Romney.

Im Film treten die Unternehmer gegen das Gebaren der Regierung in den Streik, indem sie einfach verschwinden und so die Welt so ins Wanken bringen. Daher auch der Titel „Atlas wirft die Welt ab“. Die Industriellen werden dem der griechischen Sagenfigur Atlas gleichgesetzt, der die Welt auf seinen Schultern trägt.

Die Geschichte ist eigentlich uralt. Die in Russland geborene Autorin Ayn Rand hat das Buch 1957 verfasst, nachdem ihr Vater von den Bolschewiken enteignet worden war. Als „Bibel der Selbstbezogenheit“ wird das Werk gern bezeichnet und als Plädoyer für Raubtierkapitalismus. Der amerikanischen Öffentlichkeit ins Gedächtnis gerufen hat das Werk Romneys Vize Paul Ryan, der es mehrfach seine „Inspiration“ genannt hatte.

So ist es alles andere als Zufall, dass der Film genau jetzt in der heißen Phase der US-Präsidentschaftswahlen in die US-Kinos kommt, meint Medienwissenschaftler Nabil Echchaibi von der Universität Boulder, Colorado. „Der Film ist Wahlwerbung für Mitt Romeny ohne den Namen zu nennen und er diffamiert Obama auf perfide Weise.“

Der Film könne tatsächlich den Ausschlag für die Wahl geben, weil viele Unentschlossene sich von ihren Gefühlen leiten ließen, meint Echchaibi.  Obama, so der Subtext des Films, steht für  eben jenes System, das die Menschen behindert, beraubt und für ihre Zwecke missbraucht. Obama ist die Regierung, die es zu verhindern gilt. Der Geschäftsmann Romney steht dagegen auf der guten Seite.

Der Film kommt zwar daher wie ein Hollywoodfilm, ist aber keiner  – in der liberalen Traumschmiede Kaliforniens wollte sich mit dem Streifen niemand die Finger schmutzig machen. Also investierte der Geschäftsmann John Aglialoro, Chef von Cybex, einem Hersteller für Fitnessgeräte, rund 25 Mio. Dollar und engagierte den Horrofilmregisseur Harmon Kaslow. Und das, obwohl der erste Teil des Films „Atlas Shrugged“ gnadenlos gefloppt war. Das will aber nichts heißen, meint  Nchchaibi: „Damals war die Zeit noch nicht reif.“